Marie Davidson – City Of Clowns
Text: Jensor | Ressort: | 25. März 2025
Willkommen in der Finsternis: Marie Davidson mag es im Jahr 2025 richtig dunkel. Und zwar auf dem Dancefloor: Mit „City Of Clowns“ bricht sie deutlich mit dem Sound vom Pop-orientierten Vorgänger „Renegade Breakdown“. Und nimmt einen auf der sechsten Platte mit hinunter in den Keller der Dystopien …
Es ist in der Tat ein bemerkenswert technoider Sound-Entwurf, den uns die kanadischen Produzentin da vorlegt. Und zwar in Zusammenarbeit mit David und Stephen Dewaele aka Soulwax – was vielleicht ein Fingerzeig dafür sein könnte, dass diese Platte einen gewissen Old-School-Spirit atmet. Damit kennt man sich ja auch im Hause Soulwax. Der nächste wichtige Begriff: Retrofuturismus. Irgendwie atmet jedes einzelne Stück dieser Platte genau dieses Prinzip. Da ist dieser unwiderstehliche Groove, der einen vorantreibt auf dem Weg in die dystopischen Tanzflure. Der trockene, nüchterne, aber dennoch einnehmende Funk, der seine Kälte abstrahlt wie eine – nun ja – Tiefkühltruhe. Und da ist der permanent fordernde, pushende Beat.
Das wirklich Bemerkenswerte ist darüber hinaus aber noch ein weitere Aspekt: Diese kühle, manchmal regelrecht kalte maschinelle Soundwelt – gern angereichert mit Acid-Elementen – stößt zumindest mich als Zuhörer kein bisschen ab. Vielmehr steckt bei „City Of Clowns“ da richtig viel Körperlichkeit, viel Sex drin. Und zwar sowohl inhaltlich (man vertiefe sich gern mal in Stücke wie „Sexy Clown“ oder „Push Me Fuckhead“) als auch vom Sound – schon allein dies alles verschafft jede Menge Spannung in dieser Musik.
Und dann kommt da noch die nächste Ebene: „City Of Clowns“ ist eben auch eine Auseinandersetzung mit einer allgegenwärtigen Überwachung bis hinein in die intimsten Lebensbereiche. Bis auf jenen dystopischen Dancefloor, auf dem allerdings längst schon die ganze Welt mittanzt. Inspiriert ist dies von den Gedanken der Wissenschaftlerin Shoshana Zuboff – da kann man sich auch gern mal reinvertiefen in die Beschäftigung mit der Frage, ob digitale Datenerhebungen und -analysen zu einer neuen Form des Kapitalismus, dem Überwachungskapitalismus, geführt haben und wie dies die Gesellschaft verändert.
Das könnte Gewicht geben, das gibt Gewicht – und mithin die Gefahr, das Musik an diesem Gewicht erstickt. Cooler Ansatz von Marie Davidson: Dem allen setzt sie sehr bewusst das Bild des Clowns entgegen – was dieser dystopischen Soundwelt tatsächlich manchmal etwas zutiefst Schelmisches verleiht. Und auch jene Zugänglichkeit, die Musik benötigt, um dann doch auch zu funktionieren: Und ob „City Of Clowns“ funkioniert, hoho! Am Ende ist man dann tatsächlich ein wenig geplättet von diesem Parforce-Ritt durch diese donnernden Soundentwürfe, die da überquellen vor Energie und gleichzeitig so unfassbar simplifiziert daherkommen. Aber keine Angst: Man will dann auch gern wieder von vorn anfangen.
(Marie Davidson under exclusive license to DEEWEE & Because Music)
VÖ: 28.02.2025